53°31'57.5"N 9°40'54.8"E
Die Landesstube
Deichwesen
Der Deichschutz, dessen Kern von keiner Obrigkeit je in Frage gestellt wurde, beruht bis in die Gegenwart auf das bis in das Mittelalter zurückreichende Prinzip der inneren Selbstverwaltung des Alten Landes.
Grundlage für die Deichverfassung im Alten Land bildete das Altländer Deichrecht. Es beruht auf genossenschaftlichen Prinzipien und ist eines der ältesten Rechtsinstitute. Sein Ursprung lässt sich auf die Zeit der Hollerkolonisation im 12. Jahrhundert zurückführen.
Es galt einheitlich für die sassischen Altsiedlungen im Hochland und die hollerschen Siedlungen im Sietland. Alle saßen zusammen im selben Großpolder und jeweiligen Deichverband; sie teilten ein Interesse: den Schutz vor der Flut.
„Kein Land ohne Deich, kein Deich ohne Land” lautete das grundsätzliche Prinzip des Deichwesens. Es war eine Angelegenheit der Menschen im Alten Land. Der Deich war ihr Werk. Sie nahmen Aufsichts- und Kontrollfunktionen im Deichwesen wahr und waren als Landbesitzer selbst zum Deichbau verpflichtet.
Die Deichverbände entsprachen den Drei Meilen, unterteilt in einzelne Deichrichterschaften, denen in der Zweiten und Dritten Meile Oberdeichrichter vorstanden. Schäden an den Deichen mussten dem Gräfengericht in Jork berichtet werden.
Aus der Deichverfassung hat sich der Zusammenschluss der Altländer in der Landesgemeinde gebildet, die im Spätmittelalter im Zenit ihrer politischen Machtentfaltung stand. Während die Altländer Landesgemeinde immer mehr ihre Bedeutung verlor, hat sich die Deichverfassung als resistent erwiesen und bis in die Gegenwart überdauert.
Kein anderes originäres Rechtsgut des Alten Landes ist so alt und so dauerhaft wie die Deichverfassung.
Der Deichverband der Dritten Meile in Hamburg wurde 1976 aufgelöst. Die Deichverbände der Ersten und Zweiten Meile bestehen bis heute, sie wurden um die Städte Stade und Buxtehude erweitert.
Gerichtswesen
Gerichtsbarkeit und Deichgerichtsbarkeit nehmen im Mittelalter die Gräfen wahr. Die Bezeichnung Gräfe für die höchsten Beamten der Landesherrschaft in den Elbmarschen leitet sich von Graf ab. Der Titel war im Alten Land weder erblich noch adelig. Die Gräfen wurden vom Landesherrn ernannt.
Der Landesordnung zufolge gab es jeweils zwei Gräfen im Alten Land. Sie nahmen im Auftrag des Erzbischofs die höhere Gerichtsbarkeit als Richter in Zivilsachen wahr, in Strafsachen nur in Verbindung mit dem Dreigeschworenenrat im Landgräfting. Eigene Gerichtstage hielten sie in den Gräftingen der sassischen (sächsischen) Dörfer am Elbufer ab.
Die Landesversammlung der Altländer versuchte auf die Wahl der Gräfen Einfluss zu nehmen. 1589 gestand ihnen der Erzbischof zu, dass sie für eine der beiden Gräfenstellen vier Personen in Vorschlag bringen konnten, aus denen der Landesherr eine auswählte.
Die Gräfen waren mit Hilfe der Hauptleute und Vögte auch für die Landespolizei und die Einziehung der Steuern und landesherrlichen Abgaben zuständig und beaufsichtigten das Deichwesen.
Spätestens seit Mitte des 17. Jh. saßen die Gräfen mit dem Landessekretär im Gräfengericht in Jork auch allein zu Gericht, soweit nicht die siedesten oder die Patrimonialgerichte zuständig waren.
1645 setzen die Schweden Matthäus von Haren aus Stade als Gräfen ein. Nach mehreren Gesandtschaften nach Stockholm erlangten die Altländer 1672 von der schwedischen Regierung das „Gräfenprivileg“, wonach sie für eine Gräfenstelle wieder vier Personen aus dem Hausmannstand präsentieren durften und beide Gräfen im Lande wohnen sollten.
Im 18. Jh. bevorzugte die hannoversche Regierung bei der Besetzung der Gräfenstellen studierte Juristen, auch wenn diese nicht aus dem Lande kamen. Das Vertrauen in die Gerechtigkeit des Gräfengerichts schwand, die Klagen über die Gräfen häuften sich.
Nach kurzer Unterbrechung in der Franzosenzeit wurde das nunmehr „Königliche Gräfengericht“ wiederhergestellt.
Was im Alten Land bereits seit dem Mittelalter gelebt wurde, wurde 1849 landesweit eingeführt: die Trennung von Justiz und Verwaltung.
1852 mit der Hannoverschen Ämterverfassung endete auch das Gräfengericht: Der erste Gräfe wurde zum Amtmann, der zweite Gräfe zum Amtsrichter.
Die Landesstube – das Portau'sche Haus
Im Mittelalter wurden die Landesversammlungen und Gerichtstage auf Friedhöfen und in Kirchen abgehalten. Seit 1659 ist Jork nachweislich ständiger Gerichtssitz.
Die Landesstube repräsentiert bis heute Gerichtsbarkeit und Verwaltung im Alten Land. Hier tagten das oberste Gericht des Alten Landes sowie die Landesversammlung.
1773 wurde das Haus verkauft und ging in Privatbesitz über. Es war für die wachsenden Amtsgeschäfte zu klein geworden. Zur Verbreiterung der Straße sollte das Gebäude 1929 abgerissen werden. Der Ankauf durch einen auswärtigen Bauunternehmer konnte dieses Vorhaben allerdings verhindern. Das Haus wurde mit drei Winden in Richtung auf das damals noch hinter dem Haus verlaufende Fleet verschoben.
Heute befindet sich hier die Gemeinde-Bibliothek.