53°35'30.1"N 9°33'28.8"E
Hollerner Kirche, St. Mauritius

Foto der Hollerner Kirche mit dem rundgemauerten Wehrturm aus Backsteinen Der Turm der Hollerner Kirche hat den Dreißigjährigen Krieg überstanden. Er entstand zur Zeit der Hollerkolonisation.


Siedlungsgeschichte

Erste menschliche Spuren sind im Alten Land aus der Zeit um 2000 vor Christus in Form von steinzeitlichen Waffen nachgewiesen. Vermutlich um 200 nach Christi Geburt beginnt die eigentliche Besiedlung der hohen Marsch bei Stade und Neuenfelde unmittelbar an der Elbe. Dort hatte sich der von vielen Prielen durchzogene Boden durch die Gezeiten schneller und höher aufgeschlickt. Die ersten Bewohner bauten ihre noch einfachen Behausungen aus Holz, Lehm und Reet. Sie lernten, schlanke Baumstämme senkrecht in gleichen Abständen in die Erde zu stecken und die Zwischenräume mit Flechtwerk aus Reet und Stroh zu füllen, das mit Lehm beidseitig bestrichen wurde. Auf diese Wände errichteten sie aus dünneren Rundhölzern das Satteldach, das mit Reet abgedeckt wurde. Alle Verbindungen wurden mittels Weidenruten und Bändern hergestellt, denn Holzverbindungen wie Zapfen und Dübel sowie Nägel und Schrauben gab es damals noch nicht. Die schlechte Gründung ließ die Häuser höchstens 30 Jahre alt werden.

Ab 750 nach Christus entwickelt sich die Epoche der Romanik, die bis etwa 1220 andauern wird. In dieser Zeit kommt das Christentum ins Land. Erste Kirchen werden errichtet.

Um 1130 setzt von Stade aus die Hollerkolonisation des sumpfigen Sietlandes ein. Unter Anleitung von holländischen Fachleuten werden Deiche gebaut, Gräben und Wettern gegraben und die Kultivierung schreitet voran.

Bis heute sind die ursprünglich aus der holländischen Mutterlandschaft mitgebrachten Flächenaufteilungen und Flurmaße im Alten Land erkennbar – und im wahrsten Sinne maßgeblich! Die planmäßige Aufteilung des „Hollerlandes“ in lange und schmale von Entwässerungsgräben getrennte Hufen mit ihren am Kopfe stehenden und zu den Hauptwegen bzw. Deichfüßen ausgerichteten, giebelständigen Gebäuden lässt die Marsch- und Deichhufendörfer entstehen.


Der Name Hollern geht auf die holländischen Kolonisten zurück

Hollern ist ein 4 km langes typisches Marschhufendorf. Es liegt in der „Ersten Meile”. Hier im Sietland zwischen den Flüssen „Schwinge” und „Lühe” legten die holländischen Locatoren den ersten der drei Großpolder an, die bis heute als die „Drei Meilen” des Alten Landes bezeichnet werden.
Erstmals erwähnt wird der Ort 1140 nach Christus als Thitgerscoph. Damals verlieh Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen dem Bremer Domkapitel den Zehnten „bei Stade in der Marsch, das Thitgerscoph genannt wird”. Die Silbe „cop” erinnert daran, dass die Siedlungsabschnitte der Kolonisation nach holländischem Vorbild als  Cope (Kauf) bezeichnet wurden – unabhängig davon, ob ein Kaufpreis gezahlt wurde oder nicht –. Die Silbe „cop” findet sich in vielen Altländer Ortsnamen – bis heute zum Beispiel in der Dritten Meile in den Ortsnamen Nincop und Francop.
Im 17. Jahrhundert wurde der alte Ortsname „Ditgerskop” endgültig durch „Hollern” verdrängt.

Die Hollerner Kirche, St. Mauritius

Nur wenige Gebäude aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg sind im Alten Land erhalten. Die Truppen des Reichsmarschalls Gottfried Heinrich zu Pappenheim lagen im Frühjahr 1632 in Stade und legten im Alten Land zahlreiche Brände. 250 Häuser brannten ab.

Der gotische Kirchturm von St. Mauritius in Hollern ist das älteste erhaltene Bauwerk im Alten Land. Der mächtige Rundturm wurde im Sietland Anfang des 13. Jahrhunderts  im Zuge der Hollerkolonisation erbaut. Seine gut zwei Meter dicke Backstein-Außenmauer enthält unter anderem Granitsteinverbände, die noch aus der Epoche der Romanik stammen. Vermutlich hat das massive Bauwerk der Gemeinde Schutz bei Überfällen gewährt.



Die Geschichte der Schnitger-Orgel von St. Mauritius

1575 
fertigt der Hamburger Orgelbauer Dirk Hoyer eine neue Orgel für die Hollerner St. Mauritius-Kirche. Diese mit bemalten Flügeln versehene Orgel wird ausweislich der Kirchenrechnung auf einen dazu extra errichteten „Orgelstuhl“ (Orgelempore) an der Nordseite des Chores als Pendant zur Kanzel gestellt. Das Gegenüber von Kanzel und Orgel verdeutlichte die Gleichwertigkeit der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Musik. Der neu erbaute Orgelstuhl könnte, muss aber nicht ein Hinweis darauf sein, dass Hoyers Orgelwerk das erste Instrument in St. Mauritius war. Ein weiteres Indiz stützt allerdings diese Vermutung: Sozusagen pünktlich im Jahre nach dem Orgelbau, also 1576, taucht in der Auflistung der Ausgaben folgender Posten auf: Dem Cüster tho win vnd brodt in der Kerken 2 mk heißt es da, und in den Folgejahren meist Custodi pro pane & vino. Schaut man sich die Rechnungen vor 1575 an, liest man meist dem Pastore für Brot und Wein. Da ist also 1575 oder 1576 ein Küster eingestellt worden, dessen Hauptaufgabe als Mitglied des Clerus minor üblicherweise das Orgelspiel war. Bald, nämlich erstmals 1577, taucht auch der CALCANT (Bälgetreter) in den Kirchenrechnungen auf: Er erhält 12 Schilling für ein Paar Schuhe.

um 1675
werden die Hollerner beim Stader Generalsuperintendenten vorstellig wegen der neuen Orgel, also wegen eines Orgelneubaus. Freilich erwiesen sich die Zeiten als nicht gerade günstig für ein solches Vorhaben. Immer wieder neue Einquartierung unterschiedlicher Militärs lasten wie auch erhebliche Kontributionsleistungen schwer auf der Bevölkerung – und dann, man schreibt den

25. 11. 1685
die Katharinenflut verursacht große Schäden.

28. 04.1686
tut eine weitere Sturmflut ihr Übriges. Die Wintersaat ist vernichtet, die Obstplantagen schwer geschädigt, die Verminderung der Erträge der nächsten Jahre sicher. Hinzu kommen die horrenden Deichbaukosten und die Weigerung der schwedischen Regierung, auf die ihr zustehenden Abgaben zu verzichten oder sie zu stunden. Trotzdem entschließt man sich in diesen wirtschaftlich überaus angespannten Zeiten in Hollern, eine neue Orgel zu bauen. Als Orgelbauer wählen die Hollerner jenen Meister, der zurzeit gerade Furore machte: Arp Schnitger.

21. 09.1690
wird Arp Schnitgers neu erbautes Instrument mit 24 Stimmen auf zwei Manualen und Pedal durch den Stader Organisten und Komponisten Vincent Lübeck abgenommen. Die Orgel steht jetzt auf einer neu erbauten Empore im Westen der Kirche. Dies und die Tatsache, dass gleichzeitig unter der Orgel eine weitere (heute nicht mehr vorhandene) Empore für den die Gemeinde beim Gesang führenden Schülerchor errichtet wird, weist auf den Umstand hin, dass man damit beginnt, das eine oder andere Gemeindelied auch schon einmal von der Orgel zu begleiten.

1858
Einen ersten Eingriff in die Gestalt des Orgelwerkes bedeuteten die Umbauarbeiten, die - als Zeugnis des veränderten Musikgeschmacks - Philipp Furtwängler aus Elze durchführte.

1963
wird das Instrument schließlich gänzlich entstellt durch eine von Fa. Emanuel Kemper und Sohn (Lübeck) durchgeführte „Restaurierung“.

2010/11
Seit den von Orgelbau Ahrend (Orgelbaumeister Hendrik Ahrend) aus Leer durchgeführten Rekonstruktions- und Restaurierungsarbeiten zeigt sich die Orgel Schnitgers wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt. Dies übrigens sogar mit der originalen mitteltönigen Stimmung, die es heute bei den erhaltenen Orgeln des Meisters lediglich noch bei dem von ihm durchgeführten Umbau in Lüdingworth gibt.