53°54'19.4"N 9°73'84.0"E
Großes Brack
Das Große Brack oder Achterbrack
Das größte noch erhaltene Brack des Alten Landes ist das Große oder Achterbrack. Der Ortsteil Hinterbrack trägt seinen Namen daher. Es setzt sich aus mehreren Teilen zusammen, die große Wasserfläche im Südosten: ist 2.700 m² groß (ohne die Aufweitung der Wettern). Die Wasserfläche mit Sumpf- und Bruchlandschaft beträgt insgesamt 91.940 m². Auch hier hat es starke Veränderungen durch die neue Deichlinie nach 1962 gegeben.
Kein Bereich im Alten Land war so sehr von Sturmfluten bedroht wie dieser. Dicht unterhalb des Bracks erkennt man auf dem Luftbild noch Reste des 1757 errichteten, nach Südost verlaufende Schutzdeich, der damals bis zur Este führte und die Deichrichterschaft Cranz – Leeswig – Hinterbrack von der Zweiten Meile abschloss, sich heute aber nur 100 m östlich der Wellenstraße erstreckt. Durch diesen Schutzdeich führt die Westmoorender Wettern ins Brack. An der Nordostseite tritt diese Wettern wieder aus dem Brack heraus und endet in der Moorender Schleuse, durch die das Brack unmittelbar mit der Binnenelbe verbunden ist. Diese Schleuse wurde mit dem Wassergang im Jahre 1712 eingerichtet; vorher lag die Entwässerungsstelle bei Kohlenhusen.
Allem Anschein nach war es die Cäcilienflut von 1412, die den Hahnöfersand vom Festland trennte. Gewisse Überlieferungen, die aber erst im 17. Jahrhundert niedergeschrieben sind, deuten an, dass damals der Hauptteil der Gemeinde Zesterfleth (das heutige Borstel) mit der Kirche in der Gegend des jetzigen Bracks lag.
Eine zweite Bruchstelle, „im Caspel tom Bostel am Niendike” schuf die Allerheiligenflut 1570.
Weitere große Schäden brachte die erste Fastelabendflut 1602, deren Wirkung so verheerend war, dass sich der Deichverband mit dem Gedanken trug, einen neuen Deich von unterhalb des jetzigen Bracks quer herüber zur Este zu ziehen und damit das ganze Land der Deichrichterschaft Cranz – Leeswig – Hinterbrack auszudeichen. Nur mit Mühe wurde die Ausführung dieses Plans verhindert.
Bei der zweiten Fastelabendflut am 26. Februar 1625 entstand der 420 m lange und 250 m breite Kolk des „Barvelsbruchs” mit den beiden Vorsprüngen bei Hartjenshörn (östlich) und Rathjenshörn (westlich). Der Bruch wurde vorläufig mit einem ganz niedrigen Kesseldeich versehen; die Abdämmung, bereits an einen holländischen „Dykenmeister” vergeben, unterblieb wegen des Dreißgjährigen Krieges. (Die Pläne stammen von einem Landmesser und sind 1637 vorgelegt.)
Länger als 20 Jahre lag die Zweite Meile fast schutzlos da, weil sich die Unterhaltungspflichtigen wegen des „Überdeichs” nicht einigen konnten, bis der neue schwedische Gouverneur Graf Hans Christoph von Königsmarck im Sommer 1646 kurzerhand verfügte, die Interessenten hätten sich unverzüglich in den Überdeich zu teilen.
Obwohl gemäß Befehl der schwedischen Regierung der Deich an dieser Stelle bedeutend verstärkt worden war, ging in der Petriflut am 22. Februar 1651 der größte Teil der Ecke von Rathjenshörn verloren.
Nur wenig mehr als 30 Jahre dauerte es, da entstand dicht unterhalb von Rathjenhörn durch die erste Katharinenflut 25.11.1685 ein Deichbruch von 165 m Länge mit sehr tiefem Kolk. Der inwendig angelegte neue Deich brach schon während des Baues am 28. April 1686; nachher wurden noch vier weitere Deiche an dieser Stelle durch Sturm und Hochwasser vernichtet, bis es endlich dem von der schwedischen Regierung beauftragten Ingenieurmajor v. Engel im Jahre 1687 gelang, den Bruch durch Umdeichung außen herum zu schließen.
Aber auch dieser Deich hielt kaum 50 Jahre; er brach bei der zweiten Katharinenflut am 25. November 1736 an der gleichen Stelle ein, anfangs auf 90, dann noch auf weitere 60 m. Man verfuhr jetzt, wie man es beriets im Jahre 1685 hätte tun sollen, ließ fast 33 Meter guten Deiches stehen und deichte beide Brüche, also auch den alten Barvelsbruch von 1625, aus, sodass jetzt auch der letzte Rest der alten Rathjenshörne verschwand.
Nach 20 Jahren erlitt in der Markusflut im Oktober 1756 der neue Deich einen Bruch von über 100 m Länge, und es entstand das jetzige Große Brack. Flut und Ebbe gingen aus und ein, und der reißende Strom weitete die damals dicht hinter dem Deich verlaufende Moorender Wettern derart auf, dass sie über 70 Fuß Tiefe [20,44 m] aufwies. Viermal versuchte man vergebens, sie zu durchdämmen; doch half weder Kistenversenkung noch Rammwerk. Da ordnete die kurhannoversche Regierung die Durchrammung bei dem heutigen Schutzdeich an, und nach anfänglichem Misserfolg gelang das Werk, bei dem über 500 Arbeiter und 25 Ewer arbeiten. 1758 wurde der Bruch geschlossen Der Deich hat, obwohl er 1825 und später 1855 starke Beschädigungen erlitten hat, gehalten.
Aus dieser Entstehungsgeschichte wird die Form dieses größten Altländer Bracks verständlich. Der fast einen halben Kilometer lange und im Durchschnitt 60 bis 80 m breite Westteil ist die durch Strom- und Eisgang fünfmal ausgeweitete und ausgetiefte Moorender Wettern. Das flache „Ellernbrack” im Südosten liegt in der Richtung des aus Nordwest wehenden Windes. Wäre die Flut durch das Bett der Wettern nicht abgelenkt worden, so hätte der volle Stoß der Wassermassen sich nach der Este hin ausgewirkt und dort wahrscheinlich den Fluss abgezapft. So bildete sich nur ein flacher Ausläufer, obwohl die eingedrungenen Wasserfluten sich bis an den Estedeich ergossen haben.
Häufig gilt als Ursache von Überflutungen die geringe Höhe der alten Deiche. Dies kommt für die Gegend des großen Bracks kaum in Frage. 1685 berichteten die Altländer Gräfen nach Stade, dass der durchgerissene Deich so schön und stark gewesen, dass sich auf der Krone zwei Wagen ohne Gefahr hätten begegnen können. Ebenso soll der 1736 gebrochene Deich im Grund gut 16 Meter breit und knapp 9 Meter hoch gewesen sein.
Sind in früheren Jahrhunderten Deiche derartigen Ausmaßes gebrochen, während an anderen gefährdeten Stellen viel schwächere Deiche dem Anprall des Wassers widerstanden, so liegt nahe, dass der Deich auf ungeeignetem Grund ruhte, was durch die an dieser Stelle vermutete alte Estemündung hinreichend begründet wäre.
Auffallend sind ferner die gewaltigen Mengen von Triebsand, mit dem jede Flut hier die Umgebung überschüttete. Es handelt sich um mindestens 50 Hektar übersandeten Bodens, auch wenn nach den Urkunden ganze Berge von Sand zusammengebracht und abgefahren worden sind.
(Nach „Stumme Zeugen großer Katastrophen - Die Bracks im Alten Land und Bxtehude, überarbeitete Fassung nach Hans Peter Siemens ,Die Deichkolke des Kreises Jork’ ”, ISBN 978.3.00-055661-6)
Das Große Brack
Das Große Brack ist Zeugnis eines andauernden Kampfes der Altländer gegen drohende Überflutung. Im Bereich Hinterbrack, Wellenstraße und nach Leeswig hin erkennt man aus der Luft betrachtet wie sich die Flurstücken an alten Deichlinien von Schutzdeichen ausrichten, die bedingt durch die wiederholten Deichbrüche immer wieder errichtet werden mussten.
Heute ist das Große Brack ein Biotop und Naturschutzgebiet. Die große Wasserfläche erinnert mit Reetflächen, Weiden und Erlen an die ursprüngliche Natur, wie wir sie uns aus der Zeit vor der Hollerkolonisation vorstellen können.